- Kirche

Den Fuß in die Luft setzen

„Ich setzte den Fuß in die Luft. Und sie trug“.
Dieser Satz steht auf dem Grabstein der Dichterin Hilde Domin.
Wie wunderbar, wie widersprüchlich.
Die Schwerelosigkeit dieses Satzes auf einem gewichtigen Grabstein.
Leicht, fast schwerelos kommt diese Zeile daher.

Hilde Domin ließ sich nicht von der Angst beherrschen, das zeigt ihr Lebensweg: Sie war nach dem Krieg aus dem Exil zurückgekehrt in das Land, das sie bedroht und vertrieben hatte. Sie musste viele Verluste erleiden, sie dachte immer wieder an ihr Schicksal im Dritten Reich, sie dachte an ihr Exil, sie trauerte um ihre verstorbene Mutter, sie trauerte um ihre Ehe, sie dachte über Verlustängste nach. Und trotz aller Verlustängste in ihrem Leben war sie voll Vertrauen. Sie kam zurück und schrieb mit ihrer Lyrik gegen die Angst.

Wenn ich mein Leben betrachte, ich hätte, rückblickend,
vielleicht einiges anders gemacht, anders machen können.
Aber ich habe nie bereut, den Fuß in die Luft gesetzt zu haben,
auch wenn es manches Mal viel Mut gekostet hat, wenn es mit Unsicherheiten verbunden war.

Vieles in unserem Leben ist erst vom Ende her zu verstehen.
Vieles, was uns jetzt als sinnloses Zerbrechen,
als Bruch erscheint, wird seinen Sinn erst aus der Rückwärts-Perspektive entfalten
– diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht.

Unser Glaube lebt mit dieser Hoffnung, dass sich einst die Scherben zu einem Ganzen unseres Lebens zusammenfügen, auch wenn wir es heute noch nicht erkennen, noch nicht verstehen.

Den Fuß in die Luft setzen
Foto:Ursula Lauenstein

„Ich setzte den Fuß in die Luft. Und sie trug“

Der Kraft des Lebens zu trauen,
ist immer wieder eine Herausforderung;

Leben fordert mich jeden Tag neu heraus,
geschehen zu lassen, wachsen zu lassen
– eben LEBEN zuzulassen
und darauf zu vertrauen.

©Petra Focke

ZARTE LEUCHTSPUREN

eine ahnung

leise
still
unaufhörlich

zarte leuchtspuren
in der dunkelheit

eine ahnung
keimender hoffnung
mitten in der stille

leicht wie
eine feder

unerwartet
verlässlich

neues leben
nach dem tod
ich bin da

hoffnungsaugen
leuchten
dir den weg

© Petra Focke